Kolumne
von micoors zum Start der Saison 2010/2011
"Festung
Betzenberg erwartet die „Römer“
der ersten Liga
Nach vier Jahren Zweitliga-Hölle, dem knapp aber genial verhinderten
Absturz in die Drittklassigkeit 2008 und dem damit verbundenen
finanziellen Ruin, kehrt der FCK endlich wieder in die 1. Bundesliga
zurück. Da gehöre dieser Verein hin, meinen alle Fans und Freunde
des FCK und zum Teil ist dies auch die Meinung vieler, für die der
Club aus Kaiserslautern mehr nur als ein rotes Tuch ist. Wenige
Vereine im deutschen Fußball emotionalisieren so sehr und bringen
solch glühende Anhänger oder erbitterte Feinde hervor – nur
vielleicht der eine, unaussprechliche Verein aus dem Südosten der
Republik.
„Chaosklub“ Lautern empfängt Liga 1
Nun
wird in der Pfalz wieder Erstliga-Fußball geboten. Zu verdanken hat
das der FCK allen voran Stefan Kuntz, der den als ‚Chaosklub‘
bezeichneten Traditionsverein in den beiden vergangenen Jahren
wieder rehabilitiert hat.
Die
Crux und der Knackpunkt sind die Verhältnisse in und rund um die
Fußballhochburg Kaiserslautern. Von der Euphorie und dem
bedingungslosen Engagement der Fans lebt der FCK; dies ist seine
große Stärke. Wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden neigt man in
der Pfalz dazu sich selbst zu zermürben, somit kann die allbekannte
Stärke auch zur großen Schwäche werden. Grabenkämpfe, Intrigen etc.
sind dann an der Tagesordnung. Irgendwie erinnert das an das
gallische Dorf. Liebe und Hiebe hinter den Mauern der Festung vom
Betzenberg, geschlossen und mit Gebrüll (der Fans im Rücken) gegen
die Römer... oder wie auch immer die gegnerischen Mannschaften
heißen, die ihr Glück auf Deutschlands höchstem Fußballberg
versuchen werden.
Drei Jahre brauche der Verein, um finanziell saniert zu werden und
wieder höhere Ziele als den Klassenerhalt anvisieren zu können.
Kuntz Diagnose ist realistisch. Der Weg zu höheren Zielen wird ein
Balanceakt einen bundesligatauglichen Kader zu stellen und sich
andererseits finanziell nicht zu übernehmen. Auf keinen Fall kann
sich der FCK auf fiskalische Abenteuer einlassen, wie Ende der 90er
Jahre. Jede Neuverpflichtung muss passen, die Stimmung und
Einstellung im Team muss stimmen, damit das erste Jahr nicht gleich
das letzte wird.
Ab-
und Zugänge vor dem Start
Zehn Einkäufe hat der Zweitliga-Meister getätigt. Außerdem konnten
mit Rodnei und Ivo Ilicevic zwei ausgeliehene Leistungsträger fest
verpflichtet werden. Mit Sidney Sam (Bayer Leverkusen), Georges
Mandjeck (Stade Rennes) und Erik Jendrisek (Schalke 04) verließen
jedoch drei wichtige Stützen das Team. Diese Lücken mussten
geschlossen werden. Insgesamt investierte der FCK etwa vier
Millionen Euro.
Prominentester Neuzugang ist Jan Simunek, der vom VfL Wolfsburg
verpflichtet werden konnte und die Innenverteidigung ergänzt. Mit
Leon Jessen (FC Mydtiylland) hat Kaiserslautern auf der linken
Abwehrseite eine Alternative zu Alexander Bugera. Der 24 Jahre alte
Däne will dem Routinier und Standardspezialisten die Stammposition
streitig machen. Schließlich wurde von Bayer 04 der neunzehnjährige
rechte Außenverteidiger Thanos Petsos als Ergänzung zu Florian Dick
für ein Jahr ausgeliehen, der laut Stefan Kuntz auch als „Sechser“
in Frage kommen könnte.
Der
Weggang von Mandjeck soll durch Christian Tiffert (MSV Duisburg)
kompensiert werden. Im zentralen Mittelfeld wird der von Schalke 04
ausgeliehene Jan Moravek für Kreativität sorgen (fast ein kleines
Wunder, wenn man bedenkt, wer Trainer in Gelsenkirchen ist). Für die
Flügelpositionen haben sich die Lauterer gleich drei Spieler
geangelt: Der Kroate Stiven Rivic sucht nach vier Jahren Energie
Cottbus eine neue Herausforderung. Mit Oliver Kirch (Arminia
Bielefeld) kann ein weiterer Profi Bundesliga-Erfahrung nachweisen.
Außerdem wechselte Chadli Amri vom FSV Mainz 05 in die Pfalz.
Im
Angriff hat der FCK mit Ilian Micanski und Erwin Hoffer nachgelegt.
Während der Österreicher Hoffer beim SSC Neapel ein durchwachsenes
Jahr hinter sich hat, blickt der Bulgare Micanski auf eine sehr
erfolgreiche Spielzeit zurück. In 60 Pflichtspielen für den
polnischen Erstligisten Zaglebie Lubin erzielte er 48 Tore.
Deutlich wird, dass sich der FCK für die kommende Saison vor allem
in der Breite besser aufgestellt hat. "Wir wollen alle Positionen
doppelt besetzt haben", präzisiert Kurz seine Kadervorstellungen -
und genießt angesichts erfreulicher Testspielresultate die neue Qual
der Wahl.
Alle Testspiele wurden erfolgreich gestaltet. Drei lockeren Siegen
zum Auftakt gegen unterklassige Gegner, folgte ein 2:0-Erfolg gegen
Zweitligist FSV Frankfurt sowie ein torloses Remis gegen den
französischen Erstligisten FC Metz. Das Highlight in der
Vorbereitung war unumstritten das Duell gegen den FC Liverpool im
eigenen Stadion, das der FCK vor 22.000 Zuschauern mit 1:0 gewann.
Zuletzt gab es ein 3:1 gegen den renommierten französischen
Traditionsverein und Erstligisten Auxerre und einen 2:0 Erfolg gegen
den nicht minder starken schottischen Erstligisten und mehrfachen
Meister Aberdeen.
"Die Eindrücke aus den Testspielen und die Trainingsleistungen
zählen. Die tragen zu einem Gesamtleistungsbild bei", beschreibt
Kurz den Weg zur Personalentscheidung.
Die
große Flexibilität der Spieler soll das Plus für Kaiserslautern
sein. Viele Akteure fühlen sich auf mehreren Positionen zu Hause,
können variabel eingesetzt werden. Das macht den FCK weniger
berechenbar. Für jede Position steht quasi ein fast gleichwertiger
Ersatz zur Verfügung. Im Tor braucht man sich in der Pfalz sowieso
keine Gedanken machen. Generell zählt der Abwehrverbund zu den
größten Stärken der Lauterer.
Marco Kurz – die Ruhe in Person
Komplettiert wird die Mannschaft um das Trainerteam von Marco Kurz.
Dem ehemaligen 60er-Trainer wurde zu Beginn der letzten Saison nicht
viel zugetraut (außer mir :) vgl. mein letztjähriges Portrait von
Kurz – Anm. d. Autors). Doch Kurz schaffte es, aus dem jüngsten
Zweitliga-Kader eine eingeschworene, spielstarke Mannschaft zu
formen und erreichte so auf Anhieb die Zweitliga-Meisterschaft. Aber
es sind nicht nur die statistisch messbaren Erfolge, die den
41-Jährigen auszeichnen. Die professionelle Art, mit der er seine
junge Truppe führt, die Akribie, mit der er seiner Arbeit nachgeht
und die Ruhe, die er dabei ausstrahlt, sind neben den Erfolgen auf
dem Spielfeld besonders erwähnenswert.
"Wir denken von Spiel zu Spiel", lautete seine Parole im letzten
Jahr, die auch in dieser Runde als Marschroute ausgegeben wird. Kurz
identifiziert sich völlig mit dem 1. FC Kaiserslautern und will sich
jetzt als Trainer nun auch in der Bundesliga etablieren. Wie schon
in der vergangenen Saison hat Marco Kurz auch in diesem Jahr eine
vergleichsweise junge Mannschaft beisammen. Dass jung und unerfahren
aber nicht gleich erfolglos sein muss, hat man bei der WM in
Südafrika gesehen. So kann das Team mit dem lautstarkem Einsatz der
treuen Anhänger rechnen, der sicher großen Anteil am Aufstieg der
Kurz-Truppe hatte. In der ersten Liga, werden sich die Fans wohl
noch mehr engagieren. Knapp zwei Wochen vor dem Auftakt sind schon
rund 30.000 Dauerkarten verkauft worden. Wie der Verein mitteilte,
gab es 130.000 Ticket-Anfragen für das Heimspiel gegen Bayern
München am zweiten Spieltag. Der Betze boomt wieder und die
Bundesliga darf sich auf ein stets gut gefülltes
Fritz-Walter-Stadion freuen.
Der
neuen Saison darf also mit Optimismus und Realismus entgegen gesehen
werden. Viel aber nicht alles wird vom Abschneiden in den ersten
drei Spielen abhängen. Allerdings wird das erste Heimspiel gegen den
FC Bayern nicht der Gradmesser sein, wie er von vielen
heraufbeschworen wird. Es hängt vielmehr davon ab, ob es gelingt den
Betze wieder in die gefürchtete Erstliga-Festung zu verwandeln. Die
Kontinuität in den Heimspielen wird sicherlich die Basis zum
Klassenerhalt sein. Und die Fans werden den verschworener Haufen
junger Spieler wie immer vorbehaltlos anfeuern. Wie so oft wird der
FCK nur über das Kollektiv bestehen und zum Erfolg kommen können.
Das sollte zum Klassenerhalt reichen. Wo sind die Römer!!? Lasst
sie kommen!!!"
Datum: 10.08.2010
Autor: micoors |