Spielbericht
2. Spieltag der Saison 2010/2011
1. FC Kaiserslautern
-
FC Bayern München
2:0 (2:0)
von AstraNick[FI], Statistiken von Betzegeher
Sensation perfekt – kämpfende Lautrer besiegen abschlussschwache
Bayern 2:0
27.
August 2010 – nach vier Jahren Zweitklassigkeit endlich wieder ein
Heimspiel in Liga eins auf dem Betzenberg. Erster Gast war der
amtierende Meister und Pokalsieger FC Bayern München. Binnen weniger
Stunden war der Klassiker komplett ausverkauft, angeblich lagen weit
über 150.000 Ticketanfragen vor. 49.780 Fußballfans, darunter
schätzungsweise
7.000 des FC Bayern, pilgerten an diesem Tag auf den ehrwürdigen
Betzenberg.
Bereits
auf der Autobahn wurde deutlich: Irgendetwas war anders, ja
ungewohnt. Stunden vor der Abfahrt von zu Hause begann das Kribbeln,
nach letzten Recherchen im Forum und einem Telefonat mit FCK-Freund
„Michael aus Zypern“ kam auch noch Nervosität dazu. Dann das Wetter
– es regnete heftig, ja fast wolkenbruchartig. Jeder dachte sofort
ans „Fritz-Walter-Wetter“. Aber da waren die vielen Autos auf der
Strecke von Birkenfeld nach Landstuhl, vermehrt Fanbusse auf
Parkplätzen, sehr viele gegnerische Wappen und Schals in Autos und
Gedränge auf den Park&Ride-Parkplätzen – hach, die 1. Liga ist eben
etwas anderes, als dieser öde Kick der letzten Jahre vor weniger
Zuschauern in Liga 2!
Bereits
gut eine Stunde vor Spielbeginn sang sich die Westkurve mit
klassischen Fangesängen warm. „Zieht den Bayern die Lederhosen aus“
oder „Wir singen scheiß FC Bayern…“ hallte durchs weite Rund des
Fritz-Walter-Stadions. Vom Eventpublikum der Gästekurve – kaum etwas
zu vernehmen. „Schicki-Micki-Volk“ war dennoch auch dort zusehen.
Unübersehbar eine aufgestylte Dame mit großer weißer Handtasche. Das
sind die echten Bayern-Fans, wie sie jeder liebt. Wenig später kam
dann der harte Kern der Münchner Krawallvereinigung „Schickeria“ mit
dazu, wenigstens ein paar Schwenkfahnen und Schals waren ab diesem
Zeitpunkt zu sehen, nicht mehr…und nicht weniger. FC
Bayern-Fanszene, wie sie leibt und lebt.
Plötzlich ein gellendes Pfeifkonzert: Als einige Akteure der
Münchner den alten Ein- bzw. Ausgang in die Kabinen in der Ecke
Nord-West benutzten, um sich ein Bild vom Rasen und dem Stadion zu
machen. Ja ja, lange ist’s her oder besser gesagt: Der FC Bayern
fühlte sich als etwas Besonderes und brauchte in diesem Moment die
Extrawurst Nebeneingang. Wenn schon später nicht auf dem Platz
auffallen, dann bereits vor Spielbeginn durch Arroganz.
Vor
Spielbeginn gedachten die Zuschauer dem verstorbenen FCK-Spieler
Hannes Riedl, welcher am 27.08.2010 in Pirmasens beerdigt wurde. Ein
Bild von Hannes auf den Videowalls sowie mehrere Spruchbänder auf
den Tribünen wurden ihm gewidmet. Stadionsprecher Schömbs sprach
sichtlich mitgenommen einige Sätze über „Hannes“, bevor er die
Schweigeminute ankündigte. Es wurde sehr schnell sehr ruhig… bis auf
einmal der Kindergarten der Gästekurve jenes Schweigen durch Gegröle
störte. Unfassbar, traurig und beschämend, liebe Fans des FC Bayern.
Respekt vor dem Gegner bzw. vor einem Toten habt ihr nicht gelernt.
Selten hat sich eine Gästemannschaft auf dem Betze bei einer
Schweigeminute so daneben benommen, wie ihr. Ganz großes Kino –
passend zu all Eurer Arroganz und Event-Geilheit. „Schicki-Micki“,
wie der Name einer Gruppierung schon aussagt. Pfui deiwel! Solche
Deppen braucht kein Verein, aber bleibt ruhig im roten München, da
passt ihr hin. Übrigens toll die Freundschaftsbekundung zum TSV.
"60zig!!!, 60zig!!!" schallte es von tausenden FCK-Fans der
Westkurve in Richtung Bayern-Anhang.
Nun
aber zu den erfreulicheren Dingen des Tages – dem eigentlichen Spiel
der Köln-Besieger aus Kaiserslautern gegen den
Champions-League-Finale-Verlierer FC Bayern München.
Alleine
diese Ankündigung zeigt, welch Kaliber auf dem Papier heute zu Gast
auf dem Betze war. FCK-Trainer Marco Kurz reagierte und stellte die
Mannschaft ein wenig um. Jessen für Bugera, Ilicevic spielte für den
verletzten Moravek, Kämpfernatur Adam Nemec ersetzte Wuselstürmer
Jimmy Hoffer. Der Gast aus München spielte mit zehn amtierenden
Nationalspielern von Beginn an, darunter der wieder genesene Ivica
Olic. Miroslav Klose wurde herzlich begrüßt – kein Wunder, hatte
dieser doch unter der Woche die Hoffnung auf ein Comeback beim FCK
geschürt. Wann dies sein wird und ob überhaupt, dies steht in den
Sternen. Man sollte es mit diesem Thema auch nicht übertreiben, denn
auch ein Klose wird älter und hatte es in der Vergangenheit oft
schwer. Außerdem spielen jetzt Lakic, Nemec, Micanski und Hoffer
beim FCK, denen unser ganzes Vertrauen geschenkt werden sollte. Als
die Mannschaften einliefen präsentierte die Ultra-Szene aus
Kaiserslautern eine sehr gelungene Choreographie. Weiße und rote
Papierblätter sowie ein großes FCK-Logo in der Mitte der Kurve und
Spruchband am Fangnetz mit der Aufschrift „Der FCK ist wieder da…“
krönten das erste Highlight des Tages. Doch es sollten weitere
folgen.Die Platzwahl wurde von Kapitän Martin Amedick gewonnen, der
FCK spielte in Halbzeit 1 auf die Ostkurve und hatte die eigenen
Fans im Rücken. Ein Vorteil?
Erwartungsgemäß kontrollierten die Bayern von Beginn an das
Geschehen, ohne jedoch wirklich gefährlich zu werden. Der FCK wirkte
kurze Zeit „wackelig“ und nervös. Dies legte sich mit zunehmender
Spieldauer. Aus einer kontrollierten Defensive über schnelle Konter
den großen FC Bayern ärgern, das war das Ziel und die Lauterer
machten ihre Sache richtig gut. Überragend von der ersten Minute an
Florian Dick, der Frank Ribéry fast das ganze Spiel fair
bearbeitete. Dieser fand dadurch kaum eine richtige Bindung zum
Spiel. In der Zentrale agierte Bilek unauffällig, aber effektiv,
denn Bastian Schweinsteiger und Marc van Bommel schafften es fast
nie ihr Spiel aufzuziehen. Das Match hatte dennoch immer das gleiche
Schema: Der FC Bayern dominierte, hatte am Ende mehr als 70%
Ballbesitz und auch die meisten gewonnenen Zweikämpfe auf dem Konto,
der FCK mauerte und konnte durch den einen oder anderen Vorstoß in
Richtung Bayern-Tor ein wenig Gefahr ausstrahlen. Aber der FC
Bayern? Bis zum 16m-Raum der Lauterer lief vieles gut, aber dann?
Ungewohnt harmlos in der von Coach van Gaal genannten „Stufe 4“
präsentierten sich die Kicker von der Isar. Zwar wurde der Druck
immer größer, das Passspiel genauer – sobald das Tor von FCK-Keeper
Sippel näher kam, agierte der Gast unglücklich, was der FCK-Anhang
jederzeit mit einem lauten „Heeeeeeeyyyyy“ quittierte. Doch
plötzlich in der 24. Spielminute eine Blitzaktion von Bastian
Schweinsteiger, der gekonnt mit Thomas Müller per Doppelpassspiel
die Abseitsfalle der Lautrer aufhob. Völlig frei vor Sippel tauchten
Müller, Klose und Olic auf, jedoch verfehlte Müller knapp. Glück für
den FCK, dass dieser die frei stehenden Klose und Olic nicht sah und
somit das sichere 0:1 vergab. Durchatmen war angesagt! Zwei Minuten
später kam der Ex-Lautrer Klose zum Schuss, der jedoch abgefälscht
nicht wirklich für Gefahr sorgte.
Es
dauerte bis zur 30. Spielminute, bis der FCK durch Neuzugang Leon
Jessen zu seiner ersten Chance kam. Jessen tankte sich auf links
durch und schlenzte auf das Tor der Bayern, welches er jedoch knapp
verfehlte.
Der FC Bayern schien davon unbeeindruckt und drängte auf das erste
Tor. Und genau in dieser Drangphase geschah die Sensation. In der
36. Spielminute eroberte Florian Dick gegen den enttäuschenden Frank
Ribéry den Ball, passte auf Tiffert, der energisch an der Außenlinie
in Richtung Tor der Bayern drängte. Sein Pass in die Mitte ließ Adam
Nemec gekonnt passieren….Ivo Ilicevic drosch die Kugel aus knapp 20m
in Richtung linkes oberes Eck von Hansjörg Butt….der chancenlos
zusehen musste, wie das Leder in die Maschen schlug. 1:0 für den
FCK, der Betze bebte, ohrenbetäubender Lärm im kompletten Stadion
und jeder lag sich in den Armen. Erstes Ziel des Tages war erreicht:
den großen FC Bayern ärgern. Erst über 35 Minuten „zu Null“ spielen
und dann auch noch in Führung gehen. Einfach genial, herrlich,
sensationell. Aber es kam noch schöner: Anstoß Bayern, wenige
Sekunden später Balleroberung vom FCK, Torschütze Ilicevic steil
über links geschickt, dieser passt „die Torfabrik“ in den Sechzehner
auf Lakic, Badstuber lässt die Kugel unter dem Schuh durchrutschen,
Schuß Srdjan und…. Toooooooooooor für den FCK. Der Betze bebte noch
mehr, die Ohren klingelten, 42.000 Zuschauer jubelten grenzenlos.
„Spitzenreiter, Spitzenreiter, hey…. hey…“ oder „Keiner wird es
wagen, keiner wird es wagen… unsern FCK zu schlagen“ hallte es
durchs weite Rund des Fritz-Walter-Stadions. Wär hätte das gedacht –
2:0 nach 36 Minuten für den FCK gegen Bayern. Bis zur Pause
versuchten die Münchner den Anschluss zu erzielen, jedoch weder
Ribéry noch Badstuber konnten die Chancen nutzen. So ging es mit
einer Zwei-Tore-Führung in die Kabinen. Durchatmen war angesagt.
Kämpferisch und läuferisch starke Lautrer führten gegen dominierende
und technisch starke Bayern, die den Weg zum Tor nicht fanden.
Glücklich und doch verdient, aufgrund der Leidenschaft der
Betze-Buben, eine nicht unverdiente Führung des Pfälzer
Traditionsvereins!
Zu
Beginn der zweiten Hälfte war spürbar, dass die Kabinenansprache von
van Gaal etwas heftiger gewesen sein musste. Entsprechend wütend und
druckvoll kamen die Bayern aus der Kabine,
drängten
auf den Anschlusstreffer. Eine Doppelchance von Miroslav Klose (46.
+ 50. Spielminute), sowie Olic und Müller in der 51. bzw. 52.
Spielminute verfehlten jedoch das Ziel, wenn auch knapp. Der FCK
agierte nur noch aus der Defensive, Entlastungsangriffe Fehlanzeige.
Der Druck der Bayern wurde immer größer, die „0“ stand aber
weiterhin, wenn auch glücklich. FCK-Trainer Kurz wechselte den
erschöpften Adam Nemec in der 53. Minute aus – für ihn kam der
ehemalige Stuttgarter Walch zu seinem ersten Einsatz im Trikot der
Lautrer. Frank Ribéry konnte anschließend zwei gute Möglichkeiten
(Freistoß aus 18m und scharfe Flanke) nicht nutzen. Zu diesem
Zeitpunkt waren 60 Minuten gespielt – es galt noch 30 Spielminuten
durch zu halten, möglichst ohne Anschlusstreffer. Bayern-Trainer van
Gaal wechselte mit Pranjic und Kroos zwei neue Spieler ein, Olic und
Contento mussten weichen. Dieser Wechsel führte zu noch größerem
Druck auf das Tor von Tobias Sippel, der gegen jenen Kroos eine
Direktabnahme gekonnt entschärfte. Weltklasseparade! Der FCK
kämpfte, rackerte und schaffte es immer wieder die Chancen der
Bayern zu vereiteln und sogar ab und an für Entlastung zu sorgen.
In der
75. Spielminute war das Spiel für Miroslav Klose beendet. Für ihn
kam Chancentod Mario Gomez ins Spiel. Klose
wurde
mit lauten „Miro-Rufen“ aus der Westkurve verabschiedet. In jener
75. Minute kam der FCK zu einer Großchance
durch
Rodnei, der
einen
Kopfball gegen die Laufrichtung von Torwart Butt knapp am linken
Torpfosten vorbei setzte. Ein 3:0 für den FCK wäre die Entscheidung
gewesen, so galt es weiterhin zu zittern. Das Spiel wurde
hektischer, immer mehr Fouls bestimmten das Geschehen. Kein Wunder –
den Bayern lief die Zeit davon und der FCK versuchte mit allen
Mitteln den Vorsprung zu halten. Dass dabei nicht immer faire Mittel
eingesetzt werden, logisch. Dem FCK kamen all diese Unterbrechungen
entgegen, denn damit verbunden: Zeitgewinn und Störung des Spieles.
Minute für Minute verging. In der 78. Minute durfte Srdjan Lakic
seinen Feierabend genießen – für ihn konnte Jimmy Hoffer ran. Wenige
Augenblicke nach seiner Einwechslung die erste gelungene Aktion, als
sich „Jimmy“ fast gegen drei Bayern-Spieler 20m vor dem Tor
durchsetzte. 90 Minuten waren um, 3 Minuten Nachspielzeit verkündete
der Schiedsrichter-Assistent. Nochmals übte der FCB Druck aus. So
startete Bayern-Verteidiger Lahm in seiner besten Aktion des
gesamten Spiels in der 92. Minute zu einem Sololauf über die
Außenbahn, verfolgt vom Gelb vorbelasteten Ilicevic. Ivo geriet ins
Stolpern, berührte Lahm und wurde mit Gelb-Rot vom Platz geschickt.
Ärgerlich, denn die erste gelbe Karte bekam der Torschütze zum 1:0
wegen einer Nickeligkeit.
Kurze
Zeit später brachen alle Dämme – das Spiel war aus, der FCK hatte
die Sensation geschafft, 2:0 hieß es am Ende für den
Traditionsverein aus der Pfalz. 72% Ballbesitz der Bayern, 7:7 Ecken
– fast alle Statistiken sprechen für den Gast aus München, bis auf
eine: die Tore, denn die fielen für den FCK, der aufopferungsvoll
gekämpft hat und sich aufgrund dieser Tatsache, aber auch wegen der
Arroganz der Bayern während großen Teilen des Spiels, den Sieg und
somit die 3 Punkte verdient hat. Geld alleine schießt keine Tore,
Stars alleine garantieren keine Siege. 120% Einsatz, Kampf,
Leidenschaft, Identifikation, Verschworenheit – das waren die
Mittel, die zum Erfolg führten. Spätestens durch diesen Sieg weiß
die Liga: Der FCK ist wieder da und zumindest bis Samstag
Tabellenführer der 1. Fußball Bundesliga. „Deutscher Meister wird
nur der FCK“ wurde skandiert, ja es gab sogar ein großes Spruchband
– die Pfalz schwebt weiter auf der Euphoriewelle. Doch Trainer Marco
Kurz und sein Team werden dafür sorgen, dass keiner abhebt und wir
auch in dieser Saison von Spiel zu Spiel denken. Es fehlen noch 34
Punkte bis zur 40-Punkte-Nichtabstiegs-Grenze, auf geht’s Lautern
kämpfen und siegen! Am Besten schon am nächsten Spieltag im Derby
gegen Wiesbaden-West!
Nun
noch einige Worte zum Thema Park&Ride: Abermals wurde deutlich, dass
dieses Konzept bei ausverkauftem Haus nicht wirklich funktioniert.
Gedränge an den Bussen, brutal vorgehende Menschen, Geschubse,
Pöbeleien, lange Wartezeiten, extreme Hitze in den Bussen – Park&Ride
in Kaiserslautern bei solchen Spielen ist fast unzumutbar. In einem
Fall wurden zwei Kinder einer Familie in einen Bus gedrängt, die
Türen gingen zu und der Bus fuhr ohne die Eltern in Richtung
Parkplätze. Stadionbesucher mit Handicaps konnten kaum ohne
Schmerzen die Busse betreten, kleine Kinder waren einer nicht zu
unterschätzenden Gefahr ausgesetzt. Hier sollte dringend mit einem
besseren Konzept, einer besseren Zuschauerleitung an den
Warteplätzen und Schleusung in die Busse gearbeitet werden. Zwar
wird man wieder sagen: „Is ja nichts passiert“, aber muss immer erst
etwas Schlimmes passieren, bis man aktiv wird?
Abschließend noch etwas lustiges einer Gruppe Bayern-Fans: Als diese
den Bus auf dem Parkplatz nicht verlassen wollten, wurden sie mit
zum Busbahnhof genommen. Respekt an diesen Busfahrer – in der Pfalz
gehen die Uhren eben anders und wer auf Schicki-Micki aus ist, der
kann ins Schlauboot bzw. in die Arroganz-Arena in Fröttmaning gehen.
Da kommt man eventuell mit solchen Spielchen durch, doch in
Kaiserslautern regiert der FCK!
Autor: AstraNick[FI]
Datum: 28.08.2010 |